Den Satz »Zirkon ist nicht gleich Zirkon« hat man in den letzten Jahren immer wieder als Überschrift in Fachzeitschriften gelesen. Oftmals wird der Eindruck suggeriert, dass man bei dem Thema Zirkonoxid ständig auf der Hut sein muss, als handele es sich um ein zweifelhaftes Material – und dass, obwohl sich das Material international schon längst zum meist verwendeten Zahnersatzwerkstoff etabliert hat.

Seit dem Start der dentalen Digitalisierung wurden die qualitätsrelevanten Kriterien für die Produktion und Verarbeitung von Zirkonoxid in zahlreichen Veröffentlichungen thematisiert und diskutiert.

Die Evolution eines anorganischen Werkstoffes.

Das Verständnis und Wissen über Zirkonoxid bezüglich des Materialverhaltens und dessen Be- und Verarbeitung durchlief in den letzten Jahren eine Evolution – eine Evolution in Richtung eines ästhetisch höchst anspruchsvollen und für den Endkunden absolut stabilen und sicheren Zahnersatzwerkstoffes.

Dental Direkt GmbH ist bereits 2008 mit in die Diskussion eingestiegen und hat unter obigen Titel das erste Kompendium mit Informationen rund um die Produktion der Hochleistungskeramik Zirkonoxid herausgegeben (Abb.1).

DD Journal Zirkon ist nicht gleich Zirkon-2008

1Titelbild: Zirkonoxid Kompendium von Dental Direkt GmbH, 2008

In den letzten vier Jahren sind zu den bewährten und gut dokumentierten 3Y TZP Typen (hochfest, stabilisiert mit 3 mol% Yttriumoxid) viele neue und innovative Rohlingssorten auf den Markt gekommen. Es wird zunehmend komplizierter, den Überblick über die Beschaffenheit und Indikationseignung zu bewahren. Eine klare Typisierung und Differenzierung der unterschiedlichen Qualitäten und Materialkonzepte ist deshalb aktuell nur schwer möglich.

Gerade die für verblendfreie monolithische Restaurationen optimierten und in der Transluzenz gesteigerten Zirkonoxid-Rohlinge erfreuen sich in letzter Zeit wachsender Beliebtheit. In diesem Zuge wird auch der Zusammenhang zwischen steigender Transluzenz auf der einen und sinkender Festigkeit auf der anderen Seite immer wieder in Fachartikeln und auf Kongressen thematisiert. Super-Hochtransluzente 5Y TZP (mit 5 mol% Yttriumoxid werden ca. 50% tetragonale und 50% kubische Kristalle stabilisiert) sind seit etwa 2014 auf dem Markt, und die Indikation ist aufgrund der reduzierten Festigkeit in den meisten Fällen auf 3-gliedrige Molarenbrücken beschränkt.

Das Zirkonoxid wurde aber mehrfach weiterentwickelt – es durchlebt eine rasante Entwicklung.

Zirkon ist eben nicht gleich Zirkon!

Wie lassen sich nun die neusten Varianten mit einer breiten Indikation bis 14-gliedrige Brücken (Typ II Klasse 5 Keramik nach ISO 6872:2019-01) und zugleich deutlich gesteigerten lichtoptischen Eigenschaften in ihrer Qualität beurteilen? Bieten die super-transluzenten Sorten auch genügend Sicherheit?

DD Journal Anton Zahn

 

Materialien mit unterschiedlicher Opazität ermöglichen die Auswahl für ein ästhetisches Lichtmanagement, wie diese monolithische Arbeit aus Zirkondioxid zeigt. So sind für den Patienten auch unter verschiedenen Umgebungsbedingungen ansprechende Lösungen möglich.
Bild: © Anton Sawizki 

Richten wir unseren Blick auf zwei relevante Qualitätskriterien.

1. Biegefestigkeit

Geht man von den Datenblättern und Zahntechnikern aus, steht die Biegefestigkeit, angegeben in Megapascal (MPa), als Qualitätskriterium im Fokus. Die Biegefestigkeit beschreibt, wieviel Kraft erforderlich ist, um einen Prüfkörper mit einem definierten Durchmesser zu verformen und letztendlich zu brechen. Für mehrgliedrige Restaurationen sind hohe Werte in dieser Disziplin unerlässlich. Für Brücken größer vier Elemente muss in einer Prüfung nach der wesentlichen Norm für dentale Keramiken (DIN EN ISO 6872) ein Wert von 800 MPa erreicht werden. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Biegefestigkeit ein wichtiges Qualitätskriterium ist und sein sollte.

Die Norm ermöglicht die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Prüfmethoden, um die Biegefestigkeit zu bestimmen. Je nach Versuchsaufbau variieren die gemessenen Werte bei der Verwendung des gleichen Materials. Dieser unglückliche Umstand untergräbt nicht die Relevanz der Biegefestigkeit als Qualitätskriterium, sondern verlangt nach einem weiteren relevanten Qualitätskriterium, um eine bessere Vergleichbarkeit bei der Materialauswahl zu ermöglichen. Neben der initialen Festigkeit sollte zudem die Bruchzähigkeit (Risszähigkeit) als ein relevantes Qualitätskriterium stärkere Beachtung finden.

2.  Bruchzähigkeit

Die Bruchzähigkeit (Risszähigkeit) beschreibt den Widerstand eines Werkstoffs gegen Rissausbreitung. Je höher der Wert des kritischen Spannungs-Intensitätsfaktors (KIc [MPa√m]), desto besser ist die Prognose für das langfristige klinische Verhalten eines Materials. Die ideale Kombination aus Biegefestigkeit und Bruchzähigkeit basiert auf der Fähigkeit eines Werkstoffs, seine kristalline Phase bei auftretenden Spannungen so umzuwandeln, dass der Fortschritt eines Risses gestoppt und der Riss selbst wieder geschlossen wird.

Diese physikalisch-mechanische Eigenschaft erinnert an die selbstheilenden Fähigkeiten auf der organischen Ebene.

Man könnte den Eindruck gewinnen, der anorganische Zahnwerkstoff Zirkonoxid habe bei den »organischen Nachbarn« abgeschaut. Betrachten wir beispielsweise die Selbstheilung von Knochen, bei denen sich im Laufe der Evolution eine autopoietische Fähigkeit entwickelt hat, frische, mikroskopisch kleine Risse selbstheilend zu reparieren – so scheint es die perfekte Nachahmung eines Rezeptes aus der Natur zu sein.

Diese Analogie zeigt auf, dass der Bruchzähigkeit als relevantes Qualitätskriterien mehr Beachtung beigemessen werden sollte. Der KIc - Wert liefert die Information, wie robust sich ein Material z.B. während der Verarbeitung im Labor oder beim Einsetzen durch den Behandler verhält.

DD Journal Infografik Risszähigkeit

Die klassischen, hochfesten 3Y TZP Zirkonoxid-Typen zeichnen sich in der Regel durch eine hohe Bruchzähigkeit aus (>5 MPa√m) – ein wesentlicher Faktor für ihren klinischen Erfolg. Wie bei den Biegefestigkeitsprüfungen gibt es allerdings auch bei der Bruchzähigkeit verschiedene Prüfmethoden. In der DIN EN ISO 6872 ist die Prüfung nur eine Empfehlung und keine Vorgabe für die Hersteller – daraus ergibt sich kein Zwang zur Veröffentlichung in Datenblättern.   

Die Eigenschaft eines Werkstoffs zur Phasenumwandlungsverstärkung ist zudem relevant für das Alterungsverhalten einer Keramik. Die Super-Hochtransluzenten 5Y TZP verfügen über einen geringeren, initialen KIc, der für 3-gliedrige Molarenbrücken mit mindestens >3 MPa√m empfohlen wird. Das kristalline Gefüge der 5Y TZP‘s bietet damit wenig bis kein Potential zur Phasenumwandlung und dadurch zur Verstärkung.

Kausimulation DE

Dieser Prüfaufbau simuliert die mechanischen und thermischen Belastungen, welchen eine zahntechnische Restauration im Patientenmund über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgesetzt ist.

Das Langzeitverhalten des Werkstoffes wird in simulierten Kaubelastungsprüfungen analysiert (Abb. 4), die im Vergleich zu standardisierten Werkstoffprüfungen eine größere Praxisnähe vorweisen. Durch die Kausimulation ist ein Testverfahren gegeben, das zuverlässige Rückschlüsse auf das Verhalten des Materials in seiner klinischen Anwendung zulässt. So wird der typische Alterungsprozess einer zahntechnischen Restauration im künstlichen Mundmilieu simuliert. Durch den Einfluss von Feuchtigkeit und thermischer (hydrothermale) Wechselbeanspruchung unter mechanischer Kaubelastung werden die Kronen realitätsnah gefordert.

In dieser Simulation wurden je acht Kronen vor und acht Kronen des gleichen Typs nach der Kaubelastung zerstört. Die jeweils benötigte Kraft bis zum Versagen wird in N Newton gemessen. Mit einem hochfesten 3Y TZP (DD Bio ZX²) und einem neuen, in der Transluzenz gesteigerten 4Y TZP (DD cubeONE® ML) zeigt sich eine deutliche Newton-Zunahme. Der mechanische Stress der Kaubelastung führt also zu einer Phasenumwandlung, die entstehende Risse stoppt und enthaltene Restporositäten in der Keramik schließt. Diese Steigerung der Stabilität kann bei dem 5Y TZP (DD cubeX²® ML) nicht festgestellt werden. Obwohl das DD cubeX²® Zirkonoxid mit einer angegebenen Biegefestigkeit von 750 – 800 MPa bereits in den Bereich der geforderten 800 MPa für die ISO 6872 Indikation »große Brücken« kommt, ist es aufgrund der geringeren Bruchzähigkeit (KIc >4 MPa√m SEVNB) auf die Verwendung für 3-gliedrige Brücken limitiert. Die hohen initialen Werte bieten in diesem Rahmen auch nach dem Alterungsprozess ausreichend Stabilität (>1000 N), um zum Beispiel der Maximalkraft eines Bruxisten standzuhalten (Abb. 5).

DD Journal Kausimulation

Kausimulation – simuliert ein klinisches Kaufverhalten von 1.200.000 x 50N in thermischen Zyklen von 5-55°C. Dies entspricht fünf Jahre im Mund des Patienten. Universitätsklinikum Regensburg, 07/2018

(ZrO2*) Fazit: Wer ein ästhetisches und sicheres Brückenmaterial einsetzen möchte, sollte sowohl auf die Biegefestigkeit als auch auf die Bruchzähigkeit achten.

DD cube ONE® ML (4Y TZP) verfügt über ein hybrides Kristallgefüge aus etwa 30% kubischen und 70% tetragonalen Kristallen. Der KIc liegt bei ≈10 MPa√m SEVNB. Um das Alterungsverhalten positiv zu beeinflussen, wurde Aluminiumoxid (Al2O3) in ausgewogener Konzentration zugegeben. Die kubischen, großen Kristalle sind zuständig für die Transluzenzsteigerung. Auch im inzisalen Bereich der Multilayer Variante ist der KIc -Wert der Bruchzähigkeit ebenso hoch wie im restlichen Körper. Dies soll bestmögliche Sicherheit auch bei Korrekturen an den Kauflächen geben.

1/ Titelbild: Zirkonoxid Kompendium von Dental Direkt GmbH, 2008. Seit dem hat sich diaklassische 3Y TZP Keramik nicht zuletzt wegen der sehr guten mechanischen Eigenschaften zu einem Standard bei der Materialauswahl entwickelt. In den USA werden bereits mehr als 50% der digitalen Kronen und Brücken Versorgung aus Zirkonoxid hergestellt (All data according data sheet. Test method SEVNB according ISO 6872. IPS e.max CAD, Ivoclar Lichtenstein). In Deutschland geht man nach aktuellen Befragungen im Zeitraum 2015- 2017 von 34% aus. (Quelle Ankündigung für Quintessenz von der AG Keramik)